WEG Kentucky, 25.9.-10.10.10

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Die Tierärztin Selma Latif aus Bern hat ihr Praktikum so schlau eingefädelt, dass sie es zufälligerweise gerade jetzt und zufälligerweise just in der Klinik neben dem Horse Park von Kentucky absolvieren kann. Notgedrungen kriegt sie so einiges rund um die WM mit - und erzählt uns hier ein paar Anekdoten aus dem Horse Park:

Teil 2:

Deutsche Präzisionsarbeit
Spannung pur und Gänsehaut im Zehnerpack! Obwohl gestern hat es eigentlich noch ganz ruhig begonnen. Überraschend ruhig auch um Sam, bei dessen Vorbereitung für die Dressur gerade mal 3 deutsche Teammitglieder anwesend waren (bei den Dressurreitern wimmelte es jeweils nur so von Coaches, Grooms und Fans). Zehn Minuten vor Einlass ins Viereck wurde noch gerätselt, wo genau denn nun die Kurzkehrtwendung geritten werden musste, vor, bei  oder nach C? Dank Google konnte diese Unklarheit noch rechtzeitig beseitigt werden. Dreiviertel der Abreitzeit arbeitete Jung sein Pferd im Aussengalopp, dadurch lockerte sich Sam zusehends und wurde so geschmeidig, wie er sich dann auch im Viereck präsentierte: nicht unbedingt spektakulär, jedoch locker, leichtfüssig, konzentriert und ein bisschen wie auf Schienen. Zudem Ritt Jung mit bemerkenswerter Präzision.

Klimke und die Italiener
Während gestern die letzten Blumenstöcke in Position gebracht wurden, besichtigten die Reiter die Geländestrecke, was sie auf ganz unterschiedliche Weise taten: Während Ingrid Klimke strammen Schrittes ein Hindernis nach dem anderen in Gedanken anritt (imaginäre Zügel in den Händen, Blick nach vorne, sich die Taktik nochmals halblaut in Erinnerung rufend), glich die Crossbesichtigung bei den Italienern eher einem Volksfest. Mal innerhalb des Tracks, mal schnell für eine Abkürzung  die Abschrankung verlassend. Fast wichtiger als der Teamcoach war der Teamfotograf: Erinnerungsfotos von der ganzen Gruppe vor den schönsten Sprüngen durften nicht fehlen. Die heutigen Ergebnisse beantworten vielleicht die eine oder andere Frage nach der Effizienz der beiden Vorgehensweisen…

Auf der Suche nach den Highlights:

  1. Carrera mit Susanna Bordone: wann geht’s endlich lo-hos?
  2. Die Schweizer Springreiter waren von den technischen Anforderungen schwer beeindruckt.
  3. Gazellenhafte Schweizerin: überzeugende Leistung von Gazelle de la Brasserie CH und Karin Donckers!
  4. & 5. Ups, das war zuviel fürs Vorgeschirr von Gandalf The Grey und Marco Biasia. Jänu, es geht auch ohne
    6. & 7. Der Sprung Nummer 5, Salato Wildlife Center, war nicht selten Grund für einen Rumpler oder gar einen Sturz. Wie am Schnüerli liessen sich jedoch die Pferde von Ingrid Klimke und William Fox-Pitt durch die Kombination pilotieren.

 

Teil 1:

Eröffnungsfeier
Man hat sich auf eine riesige amerikanische Feier gefasst gemacht. Riesig war sie nicht, und das meine ich nicht abwertend, sie war dem Anlass angemessen. 'Amerikanisch' fehlte aber nicht. Unzählige berittene Fahnenträger, eine Cheerleader-Nummer und urchige Bluegrass-Live-Musik.
Etwas seltsam sind solche Zeremonien schon: Man möchte das Publikum auf ein sportlich hochstehendes Ereignis einstimmen. Die Pferde, die hier ihr Können zeigen, gehören jedoch nicht unbedingt zu den sportlichsten ihrer Gattung: Araber, so faszinierend, dass sie nur durch stolzes Dastehen (was für heissblütige Zeitgenossen gar nicht so einfach zu sein scheint) Begeisterung auslösen; Friesen, erhobenen Hauptes eine Quadrille vorführend, die noch grösseren Jubel als Mohamed Ali und Prinzessin Haya zusammen ernteten; die in Kentucky heimischen Saddlebred Horses, allesamt mit wehenden Mähnen, operativ zum Stehen gebrachten, überlangen Schweifen und ihrer unverkennbaren Fortbewegungsweise. HH Haya, mit dünnem Stimmchen und schüchternem Lächeln, die in ihrer Rede klarstellen wollte: „We are here, because we love the horse and therefore its welfare is our main concern“. Ach so.

Trainingsalltag
Ich habe eine etwas ungewöhnliche Leidenschaft, was grosse Pferdesportveranstaltungen angeht: Anstatt die jeweilige Prüfung zu verfolgen, stehe ich am Abreiteplatz und beobachte, wie der allerletzte Feinschliff vorgenommen wird. Hier in Lexington habe ich sogar die Möglichkeit, den Reitern der verschiedenen Disziplinen beim Training zuzuschauen. Was „round and deep“ und die Nutzungsweise der Kandare angeht, scheinen sich die Dressur- und Westernreiter einig zu sein. Deshalb war es für Anky wohl auch ein Leichtes, mal eben die Disziplin zu wechseln.
Springreiter trainieren immer im Team, Dressurreiter, ausgerüstet mit ultramodernen Einzelkämpferfunkgeräten, werfen jedem, der es wagt, ihr Viereck zu betreten, tödliche Blicke zu.
Und ja, Totilas ist der Schönste.

Scheich Mohammed und sein Gefolge
100 Pferde, 100 Reiter, 100 Meilen. Das braucht so einiges an Logistik. Die vollen Wasserkessel in der Cooling Zone standen jedoch schon beim Start im Morgengrauen in Reih und Glied, emsig wurden alle weiteren Vorkehrungen für die erste Pause von den jeweiligen Helfern der einzelnen Athleten in Angriff genommen. Gleich zu Beginn fiel mir die gigantische Überzahl an blau uniformierten Männern auf, die ich, nachdem die Sonne aufgegangen war, den Vereinigten Arabischen Emiraten zuordnen konnte. Dann blitzte nämlich auch das riesige, weisse, solide Zelt einladend auf, das im Bereich des Vet-Checks aufgebaut war. Im Innern des klimatisierten und mit Perserteppichen ausgelegten Palastes konnte das Gefolge die mit GPS Sendern ausgestatteten Reiter auf den Plasmabildschirmen verfolgen. Allen voran HH Sheikh Muhammad bin Raschid Al Maktum, der das Rennen zum Schluss auf Platz 2 beendete, obwohl sich viele (der 45 Ausgeschiedenen) über das lahme Pferd des Scheichs beim letzten Vet-Check beschwerten. Eine Reiterin wusste sogar zu berichten, dass beim einen Knie ein halber Knochen rausgeschaut habe. Ja wahrscheinlich. Soviel zum Pferdeverständnis, das auch in dieser Disziplin, wo doch das Wissen ums Pferd so gross geschrieben wird, nicht selbstverständlich scheint. Der Scheich ist dann nicht zur Medaillenvergabe durch seine Gattin HH Haya erschienen. Dafür unzählige Helferlein.

CC, wo bleibst du?
'Wo ist Walther?' bzw. 'Wo sind die CC-Pferde?' lässt sich im Horse Park gut spielen, denn bei 900 Athleten und Tausenden von Funktionären ist so einiges los. Ein paar Merkmale habe ich gefunden, die unverkennbar sind:

- ein Pferd, das völlig gelassen und nur am Halfter mitten durch den Tumult des Horse Parks geführt wird,
- ein weiteres Pferd, das fürs Dressurtraining nicht mit vier Fellrandglocken und dicken Bandagen, sondern mit
Vorgeschirr ausgerüstet wird,
- ein Springtraining, in dem kein einziger Sprung gerade angeritten wird.

Fortsetzung folgt